Ich sitze an meinem Schreibtisch und mein Blick fällt auf ein ungeöffnetes Kuvert. Ich nenne es das Kuvert der verpassten Chancen. Und damit meine ich nicht die großen Dinge, die wir in unserem Leben nicht tun. Wie zum Beispiel, dass ich mit 18 Jahren das Angebot in London zu arbeiten abgelehnt habe, weil ich mich zu jung fühlte, mein Englisch für zu schlecht hielt und ja einfach Angst hatte diesen riesen Schritt zu wagen. Übrigens denke ich, das ist die einzig sogenannte große Chance von der ich zugeben muss, dass ich es ab und an bereue sie nicht wahrgenommen zu haben.
Nein, die verpassten Chancen an die ich denke wenn ich den ungeöffneten Umschlag sehe sind die kleinen, alltäglichen Chancen die wir verpassen.
Zum Beispiel mit einem Freund einen Kaffee zu trinken, weil wir glauben gerade Wichtigeres zu tun zu haben. Was mich an das Telefonat mit einer lieben Freundin vor nicht allzu langer Zeit erinnert, die mich völlig aufgelöst anrief und mir erzählte, dass ein Freund mit dem Flugzeug abgestürzt ist und sie es nicht fassen kann, dass sie vor zwei Wochen als er sie anrief und mit ihr Essen gehen wollte einfach keine Zeit übrig hatte. Natürlich hätte sie sich freischaufeln können, eine Lücke in ihrem vollgepackten Terminkalender gefunden, wenn, ja wenn sie nur gewusst hätte was passieren würde. Aber, wir sind alle keine Hellseher und das einzige was wir damals am Ende des Telefonats dachten war carpe diem.
Wie gesagt seit dem Telefonat sind schon einige Wochen ins Land gezogen und obwohl ich mir versprochen hatte, meinen Bruder so bald als möglich zu besuchen, habe ich es noch immer nicht getan. Da waren der Termin beim Zahnarzt und die vielen Amtswege und jetzt kam auch noch eine leichte Verkühlung hinzu. Und am Wochenende habe ich ein Seminar. Wieder ein Wochenende an dem ich eingesetzt bin. Aber ich habe schon einen Termin ins Auge gefasst. Zumindest das.
Und da sind dann auch noch die scheinbar wirklich unwichtigen Dinge. Der Sale im Lieblingsladen, dort wo wir einen wundervollen Rock, einen schicken Mantel gefunden haben. Wir stehen in der Umkleidekabine, drehen uns hin und her vor dem Spiegel. Wir sehen immer wieder auf das Preisschild und können gar nicht glauben, was wir hier Tolles entdeckt haben. Und dennoch, letztlich bleibt das wunderschöne Teil im Laden. Das passiert mir immer wieder und bisher habe ich genau das als Sieg empfunden. Ich habe in Hochstimmung den Laden verlassen und war stolz auf mich selbst. Ich hatte über mein Verlangen einen Sieg errungen.
Und heute sitze ich hier und frage mich, wozu eigentlich?! Wie oft denke ich, wollte ich etwas und hab´s einfach nicht getan, verlangt, erfragt oder eben erhalten. Aber wie soll ich erhalten wenn ich nicht frage?!
Wie viele tolle Begegnungen hätte ich haben können wenn ich mich einfach nur getraut hätte , mal jemanden auf einer Party anzusprechen oder einfach erst mal auf die Party zu gehen, anstatt völlig fertig nach einem langen erschöpfenden Arbeitstag in meine bequemen Klamotten zu schlüpfen und am Sofa herumzulungern. Und ja, das Wort hätte spielt dabei eine große Rolle und ja es bringt scheinbar nichts im Nachhinein darüber nachzudenken. Aber, diese Gedanken lassen mich nicht los in letzter Zeit.
Vielleicht auch, weil ich in einer Talkshow einen Satz gehört habe, der mich in Schock versetzte. Da erzählte jemand, dass er erst letztens mit einem Freund gesprochen hätte und sie sich darüber unterhielten, dass sie im besten Fall noch 15 Sommer erleben würden.
Oh mein Gott, ich saß in besagter bequemer Kleidung auf meinem Sofa, nachdem ich das Haus zwei Tage nicht verlassen hatte, weil es so schön kuschelig zu Hause war und in meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Ich bin 49, rase also mit Siebenmeilenschritten auf meinen 50er zu und bisher hatte ich schon über mein Alter nachgedacht, einfach so, also retrospektiv, wenn ich daran dachte was ich schon alles in meinem Leben gemacht hatte. Ich dachte immer was ich noch alles machen kann und habe dabei immer in Jahren gedacht. Im guten Fall sind das 30 oder 35 Jahre, im besten Fall sogar 40 Jahre. Das klingt nach einer ganzen Menge, zumal ich mit Menschen befreundet bin, die noch nicht mal 35 Jahre alt sind.
Aber 35 Sommer – das klingt wie soll ich sagen, beängstigend. Sofort fallen mir vergangene Sommer ein, in denen es so heiß war, dass ich froh war wenn ich nicht raus musste oder Sommer, in denen es sich wieder einmal nicht ausging ausgedehnt Urlaub zu machen. Und damit meine ich nicht, dass man unbedingt nur im Sommer wirklich Urlaub machen kann. Sondern vielmehr die Tatsache, dass ein Sommer so schnell vorüber geht. Unsere Angewohnheit nach den kalten Wintern den Sommer herbeizusehnen, diese 2 oder 3 Wochen Urlaub, fern von Gedanken an die Querelen in der Arbeit, diese Zeit die dann endlich da ist und viel zu schnell vorüber geht, soll die Bemessung unserer verbleibenden Lebenszeit sein. Warum sehen wir diese Zeit dann so sehr herbei?!
Also einen Gang zurück schalten, denk ich. Der nächste Sommer kann sich bei mir erst Mal Zeit lassen und macht es mir möglich den Winter zu genießen und mich auf den Frühling zu freuen, der mir nun wie eine Galgenfrist erscheint.
Gleichzeitig bedeuten 35 Sommer aber auch 35 Weihnachtsfeste. Nur 35 Weihnachtsfeste und das wo ich mich gar nicht satt sehen kann an den wunderschön geschmückten Weihnachtsbäumen. Ich kann den Gedanken nur schwerlich ertragen und deshalb wieder zurück zu den Chancen, den verpassten und denen die ich nutzen will – ab jetzt. Es wird mir schwer fallen und ich muss es studieren und lernen, das ist klar. Aber die Zeit nehme ich mir.
Und nächstes Mal wenn ich mit meiner Musik im Ohr auf den Zug warte und Lust habe los zu tanzen, ja dann werde ich es vielleicht mal probieren. Denn meine Chancen, hab nur ich selbst und niemand anderer kann darüber entscheiden ob ich sie ergreife oder nicht.
Und wenn sie sich jetzt fragen, was in dem verschlossenen Kuvert ist, dann ergreife ich die Chance und sage ihnen, dass es ein Theaterticket ist, vom September im vorigen Jahr – Hamlet in London – ich hatte den allerletzten Platz ergattert und die Chance nicht genutzt – eingetauscht für einen Job der mir nichts gebracht hat. Nein, das stimmt nicht. Dieser Job hat mich gelehrt, dass ich nie mehr wieder Chancen verpassen möchte.
penfi
Nein, die verpassten Chancen an die ich denke wenn ich den ungeöffneten Umschlag sehe sind die kleinen, alltäglichen Chancen die wir verpassen.
Zum Beispiel mit einem Freund einen Kaffee zu trinken, weil wir glauben gerade Wichtigeres zu tun zu haben. Was mich an das Telefonat mit einer lieben Freundin vor nicht allzu langer Zeit erinnert, die mich völlig aufgelöst anrief und mir erzählte, dass ein Freund mit dem Flugzeug abgestürzt ist und sie es nicht fassen kann, dass sie vor zwei Wochen als er sie anrief und mit ihr Essen gehen wollte einfach keine Zeit übrig hatte. Natürlich hätte sie sich freischaufeln können, eine Lücke in ihrem vollgepackten Terminkalender gefunden, wenn, ja wenn sie nur gewusst hätte was passieren würde. Aber, wir sind alle keine Hellseher und das einzige was wir damals am Ende des Telefonats dachten war carpe diem.
Wie gesagt seit dem Telefonat sind schon einige Wochen ins Land gezogen und obwohl ich mir versprochen hatte, meinen Bruder so bald als möglich zu besuchen, habe ich es noch immer nicht getan. Da waren der Termin beim Zahnarzt und die vielen Amtswege und jetzt kam auch noch eine leichte Verkühlung hinzu. Und am Wochenende habe ich ein Seminar. Wieder ein Wochenende an dem ich eingesetzt bin. Aber ich habe schon einen Termin ins Auge gefasst. Zumindest das.
Und da sind dann auch noch die scheinbar wirklich unwichtigen Dinge. Der Sale im Lieblingsladen, dort wo wir einen wundervollen Rock, einen schicken Mantel gefunden haben. Wir stehen in der Umkleidekabine, drehen uns hin und her vor dem Spiegel. Wir sehen immer wieder auf das Preisschild und können gar nicht glauben, was wir hier Tolles entdeckt haben. Und dennoch, letztlich bleibt das wunderschöne Teil im Laden. Das passiert mir immer wieder und bisher habe ich genau das als Sieg empfunden. Ich habe in Hochstimmung den Laden verlassen und war stolz auf mich selbst. Ich hatte über mein Verlangen einen Sieg errungen.
Und heute sitze ich hier und frage mich, wozu eigentlich?! Wie oft denke ich, wollte ich etwas und hab´s einfach nicht getan, verlangt, erfragt oder eben erhalten. Aber wie soll ich erhalten wenn ich nicht frage?!
Wie viele tolle Begegnungen hätte ich haben können wenn ich mich einfach nur getraut hätte , mal jemanden auf einer Party anzusprechen oder einfach erst mal auf die Party zu gehen, anstatt völlig fertig nach einem langen erschöpfenden Arbeitstag in meine bequemen Klamotten zu schlüpfen und am Sofa herumzulungern. Und ja, das Wort hätte spielt dabei eine große Rolle und ja es bringt scheinbar nichts im Nachhinein darüber nachzudenken. Aber, diese Gedanken lassen mich nicht los in letzter Zeit.
Vielleicht auch, weil ich in einer Talkshow einen Satz gehört habe, der mich in Schock versetzte. Da erzählte jemand, dass er erst letztens mit einem Freund gesprochen hätte und sie sich darüber unterhielten, dass sie im besten Fall noch 15 Sommer erleben würden.
Oh mein Gott, ich saß in besagter bequemer Kleidung auf meinem Sofa, nachdem ich das Haus zwei Tage nicht verlassen hatte, weil es so schön kuschelig zu Hause war und in meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Ich bin 49, rase also mit Siebenmeilenschritten auf meinen 50er zu und bisher hatte ich schon über mein Alter nachgedacht, einfach so, also retrospektiv, wenn ich daran dachte was ich schon alles in meinem Leben gemacht hatte. Ich dachte immer was ich noch alles machen kann und habe dabei immer in Jahren gedacht. Im guten Fall sind das 30 oder 35 Jahre, im besten Fall sogar 40 Jahre. Das klingt nach einer ganzen Menge, zumal ich mit Menschen befreundet bin, die noch nicht mal 35 Jahre alt sind.
Aber 35 Sommer – das klingt wie soll ich sagen, beängstigend. Sofort fallen mir vergangene Sommer ein, in denen es so heiß war, dass ich froh war wenn ich nicht raus musste oder Sommer, in denen es sich wieder einmal nicht ausging ausgedehnt Urlaub zu machen. Und damit meine ich nicht, dass man unbedingt nur im Sommer wirklich Urlaub machen kann. Sondern vielmehr die Tatsache, dass ein Sommer so schnell vorüber geht. Unsere Angewohnheit nach den kalten Wintern den Sommer herbeizusehnen, diese 2 oder 3 Wochen Urlaub, fern von Gedanken an die Querelen in der Arbeit, diese Zeit die dann endlich da ist und viel zu schnell vorüber geht, soll die Bemessung unserer verbleibenden Lebenszeit sein. Warum sehen wir diese Zeit dann so sehr herbei?!
Also einen Gang zurück schalten, denk ich. Der nächste Sommer kann sich bei mir erst Mal Zeit lassen und macht es mir möglich den Winter zu genießen und mich auf den Frühling zu freuen, der mir nun wie eine Galgenfrist erscheint.
Gleichzeitig bedeuten 35 Sommer aber auch 35 Weihnachtsfeste. Nur 35 Weihnachtsfeste und das wo ich mich gar nicht satt sehen kann an den wunderschön geschmückten Weihnachtsbäumen. Ich kann den Gedanken nur schwerlich ertragen und deshalb wieder zurück zu den Chancen, den verpassten und denen die ich nutzen will – ab jetzt. Es wird mir schwer fallen und ich muss es studieren und lernen, das ist klar. Aber die Zeit nehme ich mir.
Und nächstes Mal wenn ich mit meiner Musik im Ohr auf den Zug warte und Lust habe los zu tanzen, ja dann werde ich es vielleicht mal probieren. Denn meine Chancen, hab nur ich selbst und niemand anderer kann darüber entscheiden ob ich sie ergreife oder nicht.
Und wenn sie sich jetzt fragen, was in dem verschlossenen Kuvert ist, dann ergreife ich die Chance und sage ihnen, dass es ein Theaterticket ist, vom September im vorigen Jahr – Hamlet in London – ich hatte den allerletzten Platz ergattert und die Chance nicht genutzt – eingetauscht für einen Job der mir nichts gebracht hat. Nein, das stimmt nicht. Dieser Job hat mich gelehrt, dass ich nie mehr wieder Chancen verpassen möchte.
penfi